2013 Nov 19 - Ein Gefühl von Freiheit

Eine E-Mail der »Crossed Swords« trudelt ein, meiner dritten Band. Alle schwärmen von dem gelungenen Workshop der hinter den Pipern und Drummern liegt. Ich war nicht dabei, hatte beruflich einfach zu viel um die Ohren. Schade. 

Dazu kommt aber, dass ich in den vergangenen Jahren pro Meeting immer 500 Kilometer hin und dieselbe Strecke wieder zurück fahre. Hinzu kommen die nicht ganz günstigen Kosten für die Jugendherberge, da die Band noch in keiner Kaserne untergekommen ist. Außerdem oft bitterer Verdienstausfall da ich meist an den Wochenenden arbeite und mir so tolle Aufträge durch die Lappen gehen. Was 2014 an Shows auf dem Programm steht ist noch nicht klar.
So sammeln sich die Argumente zu einem Klumpen Kontra dagegen.
Ich glaube, ich brauche eine Auszeit.

Erst schreibe ich dem P-Major, dem P-Sergeant und dem P-Corporal, dass ich 2014 nicht mit im Boot bin, mich aber freuen würde auf dem Laufenden zu bleiben. Auf die Antwort "entweder ganz oder gar nicht" melde ich mich einen Tag später - in aller Freundschaft - beim PM für 2014 komplett ab und klinke mich konsequenter Weise aus der internen Facebook-Gruppe aus.

Zu meiner Überraschung breitet sich ein unglaubliches Gefühl von Freiheit aus.
Hoppla, das muss die richtige Entscheidung gewesen sein. 


2013 Nov 16 - Crazy Voices Konzert

Die »Crazy Voices« konzertieren am 16.11.2013 im Alpirsbacher »Haus des Gastes« und wir von den »Caverhill Guardians« haben unser Kommen zugesagt. Das ist eine Gegenleistung, da der Chor an unserem »Hardt Tattoo« in 2012 bei uns gesungen hatte. Aber wir kommen gerne.

PM Markus war mit mir vor zwei Wochen in der Probe der Sänger. Wichtig war, dass wir zusammen kommen, der Chor und die Pipe Band.

Am Freitagabend ist dann Soundcheck im »Haus des Gastes«. Nach einem Shooting gehe auch ich hin. Toll, ich bin die Einzige aus unserer Band und Anfänger (*aaaahh...). Ich muss jetzt mein absolut Bestes geben.
Meine Pipe habe ich vor der Kundschaft gestimmt und gerichtet. Hoffentlich passt sie noch einigermaßen.
Ich spiele jedenfalls mit dem Chor und vor allem bei "Flower of Scotland" kommen wir immer besser zusammen. Das Stück »Adiemos« soll ich am nächsten Tag noch auf der Tenordrum begleiten. 
Nach den zu probenden Stücken ist meine Pipe super eingespielt, aber ich muss sie da schon wieder einpacken. War ja irgendwie klar *lach...


Konzert

Wir fahren nach Alpirsbach und kommen witziger Weise gemeinsam an, sechs Piper und drei Drummer. Gleich geht es in das »Haus des Gastes«, wo wir die Pipes auspacken und einstimmen. Das Einstimmen der Pipes sind die Alpirsbacher nicht gewohnt und sie kriegen große Augen *lach
Irgendwann sind PM und PS zufrieden und wir legen die Instrumente geschützt beiseite.

Das Konzert beginnt und ist wirklich super. Abwechslungsreich, gut harmonierend, schöne Lieder, gute Stimmung, volle Halle. Was will man mehr? Der Titel des abends lautet »Chor plus« weil bei jedem Stück der Chor von anderen Instrumenten begleitet wird. Dazu gibt es Solisten und so hört man Keyboard, ich könnte der wunderschön gespielten Gitarre stundenlang zuhören, eine Geige, eine Cajongruppe... was hab ich vergessen?
Natürlich noch Pipes ;-)

Wir spielen eine gute Viertelstunde unsere Stücke. Oder länger? Jedenfalls spielen wir gut. Markus moderiert die Stücke, das gibt den Leuten im Publikum Hintergrund und vielleicht können sie sich dann besser auf die für sie ungewohnten Lieder einlassen.
Im Publikum sitzen lauter Leute die mich kennen, viele sind aus Schenkenzell oder auch Rötenberg und Aichhalden. Aber ich habe ja auch einmal in Alpirsbach gelebt und sehe haufenweise bekannte Gesichter.
  
Beim Finale spielen wir mit dem singenden Chor zusammen, von dem man nicht mehr viel hört. Die Mischtechnik könnte die Mikros der Sänger mehr aufschrauben. Aber egal, trotzdem ist es schön. 
  
Zum Abschluss gibt es noch ein Absacker und ich werde gefragt, ob ich nicht Lust habe auf Orgel, Trompete und Pipe. Au ja, das hört sich lustig an.
Wieder ein neues kleines Ziel, hoffentlich klappt dann alles gut.

Hier gab es einen Artikel in der Zeitung:
Artikel zum Konzert mit den Crazy Voices


2013 Nov 10 Pipe-Seufzer

Sonntag

Ich habe vor einer Weile eine Auftrittsanfrage bekommen. Eine Einlage während eines gemeinsamen Gottesdienstes einer Seelsorgeeinheit mit neun katholischen Gemeinden.
Klar, habe ich Lust!

Katja unterstützt mich (oder ich sie?) und so treffen wir uns morgens bei Marion zu Hause, frühstücken, Pipes stimmen, uns abstimmen.

Es regnet. Wir fahren den letzten Weg zur Neckarhalle und bekommen unsere Instruktionen vom Pfarrer. Der hatte schon auf dem Handy angeklingelt, gefragt wo wir stecken. Jetzt aber flott! 
Die Stühle in der Halle wurden kreisförmig aufgestellt, so dass der Altar in der Mitte steht. Verschiedene Themen vom Leben bis zum Sterben werden behandelt.

Und wir?
Wir sitzen etwas abseits und warten auf unseren Part. Während den Fürbitten sollen Katja und ich vier Einlagen spielen. Von außen sollen wir in den Kreis einlaufen, dort eine Runde im Uhrzeigersinn drehen und wieder raus gehen. Das Ganze vier Mal.
Die Beschreibung im Programm sorgt bei uns Beiden aber für pure Begeisterung, hihi. 



Unaussprechliches Seufzen ist verlangt. Sollen wir an dieser Stelle nochmal unsere Pipes tunen? 
Naja, wir entscheiden uns mal lieber für: 
- Bonnie Gallowa/Rowan Tree 
- Highland Cathedral 
- Wings/ Flett from Flotta 
- Amazing Grace
... und liegen damit ganz gut beim Publikum. 

Wir laufen in den Kreis und drehen dort eine Runde (um den Herrn in der Mitte). Aber Hilfe, an dem Ausgang zu dem wir raus sollen stehen Kerzen. Dafür ist eine andere Stelle gut und spontan spazieren wir dort wieder raus, in die andere Ecke der Halle. So seufzen wir hin und her, irgendwie läuft alles gut, die anwesenenden Klerikalen und die Leute aus den Gemeinden freuen sich. 

Nach dem Mittagessen spielen wir noch ein paar Stücke auf der Bühne. Noch schnell ein Foto zur Erinnerung. Schee war's.
 



Abends habe ich noch einen Pressetermin, ebenfalls ein Kirchenkonzert und mein Schreibtisch ruft.  

2013 Nov 08 - Wir kommen und wir gehen...

Montag. 4. November

Ich bekomme einen Anruf von der Band.
»Hallo Karin, hast Du am Freitagmittag Zeit für einen Auftritt?«
- »Ja, sieht ganz gut aus« (Sollte man nie voreilig sagen)

Ich bekomme die E-Mail-Adresse und Telefonnummer und setze mich mit der Kontaktperson in Verbindung.  
    
Es ist die Urnenbeisetzung einer Frau in einem Friedwald.

Nein, es mehr als eine reine Urnenbeisetzung, es ist eine Tragödie. Eine Liebesgeschichte mit unendlich schlimmem Ausgang.

Der Witwer wünscht sich anfangs zwei, später drei Lieder und wir vereinbaren die Stücke. Ich höre die Verzweiflung in seiner Stimme. Nur 51 Jahre alt wurde seine Frau.
Himmel, wie mir der Mann leid tut.
Der Alltag kehrt wieder ein, die Tage gehen hin.

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Freitag, 8. November   

Ich kann endlich einen Morgen ausschlafen und mache das wie lange nicht mehr. Ich schlafe bis fast 10 Uhr morgens, insgesamt 11 Stunden - herrlich.
Kaffee, Dusche, schminken und Kilt anziehen. Die Pipe ist gerichtet und muss nur eingepackt werden. Meine Gedanken sind ständig bei der anstehenden Aufgabe. Was erwartet mich?

Das Navi sagt mit 1,5 Stunden und die benötige ich auch. Das letzte Stück geht den Berg aufwärts Richtung Friedwald. Ich fahre zwei Kilometer vor dem Ziel eine Parklücke an, packe Bonnie aus und beginne zu spielen. Ich stimme sie und spiele nochmals ein wenig, bis ich mit dem Klang zufrieden bin. Draußen ist es kühl, es regnet leicht.  

Ich bin gut in der Zeit, als ich oben ankomme. Der Witwer kommt auf mich zu, ich spreche ihm mein Beileid aus. So verzweifelt sieht er aus. Er zeigt mir den Platz der Bestattung. Dazu fahren wir gemeinsam noch ein Stück den Berg hoch und gehen dann einen etwa fünf minütigen Weg bis zum Baum.

Vor dem Baum wurde das Urnengrab ausgehoben, das außen herum mit Tannenzweigen verziert wurde. Er schaut hin und ich denke, gleich bricht er zusammen. Es ist mir ein Bedürfnis ihn zu trösten und eigentlich fällt er mir in den Arm.
»Wir gehen jetzt weg von hier. Nachher kommen wir wieder«, sage ich und ziehe ihn mit mir weg.    

Wir laufen zurück, er erzählt und das scheint ihn für den Moment ein wenig zu befreien.
Das Paar war 31 Jahre lang glücklich verheiratet. Eines Sonntag morgens stehen die Beiden auf, blödeln noch herum, frühstücken und sie geht ins Bad - und fällt tot um.
Nur 51 Jahre alt, Lungenembolie.

Er erzählt mir von seinen verzweifelten Wiederbelebungsversuchen. Später versuchte auch der Notarzt noch sein Bestes. Die Frau hatte keine Chance.

Wir sind beim Auto und eigentlich möchte ich ihn zum Treffpunkt fahren. Er will lieber über die Wiese laufen, braucht die Zeit und so warte ich. Es ist windig, aber der Regen hat aufgehört.

Ein anderes Auto kommt. Der Schwiegersohn bringt Pater N. Der Pater lacht mich an und kommt mir sofort entgegen. Er sprüht vor Charisma, streichelt meine Wange und ehe ich mich versehe, drückt er mich.
»Jetzt muss ich Dich erst mal in den Arm nehmen. Wie heißt denn Du?«      
- »Karin und ich spiele heute Dudelsack«
»Wie lange spielst Du schon Dudelsack?«
- »Noch nicht sehr lange, aber ich hoffe, dass ich meine Aufgabe gut erledige«
»Ich weiß, dass Du gut spielen wirst«

Da ich jetzt den Baum kenne, führe ich die Beiden an. Vom Weg geht es dann etwa 15 Meter abwärts, quer über bemoosten Waldboden. Wir bleiben zuerst oben stehen und warten bis die Trauergesellschaft kommt.
Der Pater ist aus Beuron und eine Wucht, ich mag ihn sofort. Er erzählt mir fröhlich von seiner Mami die mit ihren 93 Jahren »...auch gerade sterbelet«.

»Jetzt spiel ein Lied nur für mich«, fordert mich der Pater auf.   
 »Lobe den Herren« kann ich nicht auf der Pipe. Aber da stehen wir Beide einfach mitten im Wald und ich spiele dem Pater »Highland Cathedral«. Er hat die Augen geschlossen, findet es schön.

»Darf ich auch mal pusten?«, fragt er. Klar, darf er das und auch wenn er keinen Ton aus der Pipe bringt, er freut sich wie ein kleines Kind. Wir unterhalten uns noch eine Weile, bis ich die Leute kommen sehe.

Das ist mein Signal mit dem Spiel zu beginnen.
An dieser Stelle habe ich mich für »O Luaidh - My dearest Dear« entschieden. Ich glaube, es ist das traurigste Liebeslied der Welt. Ich emfinde es einfach nur als passend.


"My Dearest  dear the time has come when you and I must part,
And no one knows the inner grief of my poor aching heart,
Or what I suffer for your sake, the one I love most dear
I wish that I could go with you or you could tarry here.


I wish my breast were made of glass where in you might behold,
Your name in secret I have writ in letters of fine gold,
Your name in secret I have writ, believe me when I say,
That you are the one I will adore until my dying day.

The blackest crow that ever flew would surely turn to white,
If ever I prove  false to you bright day would turn to night,
Bright day would turn to night my dear, the elements will mourn,
If ever I prove false to you the seas will rage and burn

So when you’re on some distant shore think on your absent friend,
And when the wind blows high and clear, Oh a line or two pray send,
And when the wind blows high and clear pray send it love, to me,
That I may know by your hand writ how time has gone with thee."



Die Leute versammeln sich um den Baum, ich stehe etwas abseits, aber so, dass Blickkontakt mit dem Witwer und dem Pater möglich ist. Ein Bild mit Fotografien der Verstorbenen erinnert an sie. Ein hübsche lebenslustige Frau ist da drauf.

Pater N. spricht, betet und singt mit den Leuten. Dann bin ich wieder an der Reihe und ich spiele »Dark Island«, langsam und kraftvoll. Der Witwer erzählt von seinen Erinnerungen, lässt eine Spieluhr laufen, alle gedenken der Toten. Schluchzen und weinen, Trauer aber auch große Liebe beherrschen den Ort mitten in der Natur. 

Dann wird es regelrecht mystisch, es ist wie im Film. Der Witwer hält die Urne dem Pater hin, der den Segen spricht. Genau in diesem Moment rauscht eine Windböe durch die Bäume. Ich bin nicht die Einzige die das bemerkt, alle Leute schauen auf. War das nun Zufall?         

Der Witwer legt die Urne an ihren letzten Bestimmungsort und ich stimme »Amazing Grace« an, während er mit seinen Töchtern das Urnengrab mit den Händen mit Erde und all ihrer Liebe und Trauer füllen.

Gut, dass Pater N. noch einige Worte spricht, betet und singt.
Nach einer Weile geht er los, der Pater. Ich gehe zu ihm, wir reichen uns die Hand und helfen uns gegenseitig wieder den Berg hoch.

- »Soll ich noch ein Lied spielen?«, frage ich Pater N., weil ich denke, es ist passend.
 »Unbedingt Mädle, mach das«, sagt er.

Ich spiele zwei Mal »On Erins green shore«, ehe ich mich auch auf den Weg mache. Jetzt nehmen die engsten Angehörigen nochmals Abschied.

Vorne treffe ich den Pater wieder. Weil es doch kühl ist, setzen wir uns in mein Auto und warten auf die Leute. Er erzählt mir von einer anderen Bestattung in einem Friedwald, weniger würdevoll.

Pater N. hat abends noch eine Versammlung. Ich selbst habe noch einen Termin mit einem Geschäftsmann und anschließend - was für ein Kontrast - ein Kabarett.

Eiskalt geht das Leben weiter.